Beatrice Tschanz: "Der Tod war in meinem Leben oft gegenwärtig"

EXIT kann sich auf ein namhaftes Patronatskomitee mit bekannten Persönlichkeiten stützen, die öffentlich für das Selbstbestimmungsrecht der Menschen einstehen. Wir stellen in loser Folge die Sicht von Komitee-Mitgliedern zu wichtigen Fragen rund um das Lebensende vor.

Beatrice Tschanz, was wird für Sie beim Älterwerden wichtiger, was weniger wichtig?
Im grossen Ganzen betrachtet verschieben sich die Wertvorstellungen, die sich im Laufe eines Lebens festigen und für die man einsteht, nicht grundlegend, nur weil man älter wird. Allerdings wirft man einigen Ballast über Bord, hält sich weniger mit Unnötigem auf und «verwesentlicht» vieles. Man wird etwas geizig mit der Zeit, weil man sie zunehmend als begrenzten Wert wahrnimmt. Das heisst, man vergeudet sie weniger, ist vielleicht wählerischer indem was man tut und was man sein lässt. Beziehungen gewinnen eine neue Tiefe, Freundschaften bekommen einen höheren Stellenwert und man beginnt, für alles dankbar zu sein und sich nicht mehr an jenen Dingen zu reiben, die halt nicht so sind, wie man es gerne hätte. Die Gelassenheit ist vielleicht eines der grossen Geschenke des Alters.

Wann und wie sind Sie zum ersten Mal mit Sterben und Tod konfrontiert worden?
Ich war 12 Jahre alt, als mein Grossvater in einem Landspital starb. Meine Mutter lag ebenfalls krank im Spital und ich bin mit meinem Vater in den Kanton Bern gefahren. Für mich war es ein Schock, meinen geliebten Grossvater weiss und starr im Spitalbett zu sehen. An seinem linken Zeh hing ein Paketanhänger mit Namen und Geburtsdatum und ich rannte weinend aus dem Zimmer. Mein Vater redete dann lange mit mir und mir ist nur der eine Satz geblieben: «... der Tod gehört zum Leben.» Ich war 25 Jahre alt, als mein Vater mit 63 starb – auf der Intensivstation, bei vollem Bewusstsein und klarem Verstand. Er hatte sich mit wunderbaren Worten von uns verabschiedet und irgendwie hat mich das getröstet. Auch meine Mutter und mein erster Mann starben unendlich friedlich, wenn auch nach schweren Krankheiten. Der Tod war in meinem Leben oft gegenwärtig. Schwager und Schwägerin meines Mannes kamen bei einem Flugzeugabsturz ums Leben und hinterliessen zwei kleine Kinder, meine Sekretärin starb mit 28 Jahren an Krebs und meine einzige Schwester hat nach 6-jähriger Leidenszeit dank EXIT einen würdigen und friedlichen Tod gefunden. Der Verlust und die Endgültigkeit sind immer unendlich schmerzlich, doch für mich ist nicht das Wann und Wo, sondern das Wie des Todes der zentrale Punkt.

Wie hat sich Ihre Einstellung zu Sterben und Tod im Laufe Ihres Lebens verändert?
Wie bereits erwähnt, musste ich sehr früh lernen, dass der Tod zum Leben gehört. Ich habe das akzeptiert, aber eigentlich nicht verinnerlicht, das Thema beschäftigte mich in jungen Jahren eher marginal. Doch mit jedem Tod in der nächsten oder nahen Umgebung setzte ich mich ernsthafter mit den Fragen von Sterben und Tod auseinander. Für mich, die stets ein selbstbestimmtes Leben führte, war immer klar, dass ein guter Tod ein würdiger Tod ist, dass mein Sterben schmerzfrei und friedlich sein soll. So bin ich schon in jungen Jahren aus Überzeugung EXIT-Mitglied geworden. Ich möchte auch am Lebensende Selbstbestimmung und ich möchte sterben dürfen, wenn es für mich der richtige Moment ist. Ich respektiere alle, die für sich einen anderen Weg wählen oder den begleiteten Suizid ablehnen. Für mich ist es wohl der intimste und persönlichste Entscheid, den man je treffen wird.

Was bedeutet für Sie Sterben in Würde?
Würde heisst für mich vor allem Respekt vor meinen Entscheidungen. Wenn ich eine intensivmedizinische Behandlung am Ende meines Lebens ablehne und gehen will, dann muss das möglich sein. Sterben in Würde ist für mich Stille, Frieden, mit sich und der Welt im Einklang sein, Dankbarkeit für das, was war und Ruhe für das, was kommt.


Beatrice Tschanz Kramel, (Jg. 1944) arbeitete vor ihrem Wechsel in die Unternehmenskommunikation 20 Jahre lang als Journalistin. 1998 erreichte sie als Kommunikationsverantwortliche der damaligen Swissair nach dem Absturz einer MD11 in Halifax (Kanada) mit erfolgreichem Krisenmanagement Bekanntheit. Seit 2003 ist sie selbständige Kommunikationsberaterin mit verschiedenen Mandaten aus der Wirtschaft. Sie engagiert sich für zahlreiche Non-Profit-Organisationen.

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